Schalke gegen Leverkusen: Die Taktik-Vorschau

Wie so oft in letzter Zeit können die Knappen am Sonntag beweisen, dass sie zur Spitzengruppe in der Bundesliga gehören. Der Gegner diesmal: extrem formstarke Leverkusener. Die Stärken und Schwächen der Werkself und was Schalke für einen Sieg tun muss – hier in der Analyse.

Aranguiz-Embolo

Leverkusen hat sich nach Anfangsschwierigkeiten an der Spitze der Eropa-Anwärter festgesetzt. Wie Schalke mit lediglich Doppelbelastung durch den DFB-Pokal und keinen internationalen Spielen vermag das Team von Heiko Herrlich zu begeistern. Doch was genau macht diese Mannschaft aus?

Die Stärken

Die individuelle Flexibilität einiger Leverkusener Spieler macht die Mannschaft formationstaktisch unheimlich flexibel. So übernimmt Volland, eigentlich Mittelstürmer, zunehmend auch die Zehnerposition, ein bisschen wie Max Kruse bei Werder Bremen. Nur ist Volland im Gegensatz zu Kruse dabei nicht auf sich allein gestellt. Entweder befindet sich mit Alario ein weiterer Mittestürmer auf dem Platz, oder aber Havertz, Brand, Bellarabi oder Bailey rücken vorne in die Mitte ein. Letzterer ist zur Zeit zudem in bestechender Form. Egal ob als Links- oder Rechtsaußen, im linken Mittelfeld oder aber phasenweise als Linksverteidiger in der Viererkette – Leon Bailey brachte es zum notenbesten Spieler (2,36) dieser Saison. Seine Ausrichtung bestimmt oft das Spiel von Leverkusen, was phasenweise zu formationstaktischen Asymmetrien führt. Im oft verwendeten 3-4-2-1 kann er offensiv pressen, Ballzirkulationen im Mittelfeld ermöglichen oder aber in die Kette einrücken, um in ein 4-2-3-1 oder 4-2-2-2 überzugehen, eine weitere beliebte Leverkusener Taktik. Ermöglicht wird dieser Wechsel wiederum durch Wendell, der sowohl rechter Innenverteidiger als auch Außenverteidiger spielen kann. Dies ist jedoch nur ein Beispiel dafür, wie sich die Bayer-Formation verändern kann.

So vermag es Heiko Herrlich, mit oder ohne Auswechslungen, die Taktik dem Gegner dynamisch anzupassen. Oft ist dies auf den ersten Blick gar nicht so klar zu erkennen, viele kleine Feinheiten spielen hierbei eine größere Rolle, als man zunächst annehmen würde. Wohl kein anderes Bundesligateam ändert während eines Spiels so oft die Grundformation, manchmal eben auch fast unmerklich.

Die Schwächen

Dass nach 120 Minuten im Pokal die Kräfte am Wochenende fehlen kann man durchaus verstehen. So verlor Leverkusen erst kürzlich 0:2 gegen Hertha BSC, nachdem es (abgesehen vom Spiel gegen München) 15 Spiele lang ungeschlagen blieb (damals 1:2, auch gegen Hertha). Kann man bei so einer Form überhaupt von Schwächen sprechen?

Das kann man durchaus. In den vergangenen Spielen offenbarte die Werkself Schwierigkeiten gegen tief stehende Gegner. Sinnbildlich hierfür ist wieder Bailey, der als dribbelstarker Flügelspieler seine besten Phasen hat, wenn er Platz hat. Die Kombinationen im letzten Drittel lassen oft zu wünschen übrig, wenn keine Einzelleistung den Raum dafür öffnet.

Eine weitere, etwas bizarr klingende Schwäche ist die hohe Flexibilität. Es gibt Mannschaften wie Bayern München, die spielen jedes Spiel sehr, sehr ähnlich. Jeder weiß es, aber niemand findet das richtige Mittel, da die Taktik dermaßen ausgefeilt und eingespielt ist, dass nichts sie überraschen kann. Leverkusen wird hingegen häufig überrascht. Tritt der Gegner nicht auf wie erwartet oder ändert dieser seine Taktik im laufenden Spiel, so entsteht häufig Chaos in der Bayer-Defensive. So überrumpelte Werder Bremen die Leverkusener im Pokal zu Beginn komplett und führte schon nach 8 Minuten mit 2:0. Ganze 20 Minuten brauchte die Werkself, um Leon Bailey fest auf die Außenverteidiger-Position zurückzuziehen und somit ins Spiel zu finden. In dieser Zeit hätte so manch anderes Team durchaus noch ein zwei Tore mehr erzielen können, wovon sich Leverkusen sicher nicht erholt hätte.

Was kann und was wird Schalke tun?

Es trifft sich gut, dass das höchste taktische Ziel von Domenico Tedesco gleichzeitig eine Schwäche von Leverkusen ist: den Gegner zu überraschen. Zwar ist Schalke im Spiel nicht so flexibel wie Leverkusen, die Grundordnung variiert allerdings stark von Spiel zu Spiel. 3-4-2-1, 3-4-3, 3-1-4-2, 4-1-4-1 und 3-5-2 – das waren die Startaufstellungen der Knappen in dieser Saison. Zuletzt kam noch das 3-4-1-2 mit Di Santo als 10er und der Doppelspitze aus Embolo und Burgstaller hinzu, was durchaus zu überzeugen wusste. Embolo zeigt sich im Pressingverhalten stark verbessert, di Santo machte auf der offensiven Mittelfeld-Position zwei starke Spiele. Gegen Bayern München hinterließ diese Aufstellung bei Julian Nagelsmann wohl einen bleibenden Eindruck, denn auf der Pressekonferenz nach der Partie Schalke – Hoffenheim gab er an, diese Raute erwartet zu haben. Wahrscheinlich also, dass auch Heiko Herrlich die Knappen am Sonntag in dieser Formation erwartet. Will man Leverkusen also überraschen, so sollte man, zumindest zu Beginn, sich etwas anderes einfallen lassen. Gut möglich aber, dass Domenico Tedesco die letzten beiden Spiele so überzeugt haben, dass er weiter auf diese Startformation setzt.
Ein nicht ganz unwahrscheinliches Szenario wäre, dass Schalke in den ersten Minuten ein Offensivfeuerwerk entzündet und schnell in Führung geht. Leverkusen passt sich daran an und übernimmt die Ballhoheit. Die Schalker ziehen sich daraufhin zurück, stellen vielleicht auf Fünferkette um, und versuchen zu Kontern. Das kann durchaus funktionieren, ist doch die Defensive aktuell das Prunkstück auf Schalke. Zudem bleibt noch zu beweisen, dass Tedesco das Konterspiel wirklich verbessern konnte.

Fazit

Leverkusen ist in bestechender Form und an einem guten Tag derzeit allen (exkl. Bayern) Bundesligisten überlegen. Auch Schalke befindet sich erneut im Aufschwung und muss sich vor keinem Gegner verstecken. Schafft man es, Leon Bailey aus dem Spiel zu nehmen und zudem die Leverkusener zu überraschen, so erscheint ein Sieg gar nicht so unwahrscheinlich. Aber eine Niederlage eben auch nicht.