Gegneranalyse: FC Bayern München

Das Topspiel am Samstag stellt Schalke vor die Aufgabe, die wohl von allen Bundesligisten als die schwerste der Saison angesehen wird: das Auswärtsspiel in München. Wie Schalke dort bestehen könnte und ob diese Bayern überhaupt noch zu schlagen sind, das hat sich Schalke-News genau angeschaut.

Gegneranalyse-Bayern

Möchte man die Schwachstellen eines Teams aufdecken, so schaut man sich zunächst am besten deren Niederlagen an. Im Falle Bayern Münchens sieht es diesbezüglich etwas mager aus: lediglich ein einziges Bundesligaspiel verloren sie unter Jupp Heynckes, auswärts in Mönchengladbach. Damals, noch im November letzten Jahres, erzielten die Borussen aus fünf Chancen mit zwei Torschüssen zwei Tore, während die Bayern mit 18 Chancen auf 8 echte Torschüsse und nur ein Tor kamen. 67% Ballbesitz sprechen dazu auch eine relativ klare Sprache, wie anders das Spiel hätte verlaufen können, vielleicht: müssen. Ist der einzige Weg, um gegen den Rekordmeister zu bestehen, krasse Effizienz und am Ende vielleicht pures Glück?

Wem diese Antwort nicht reicht, der muss nun doch genauer hinschauen. Wenn keine Niederlagen auf dem Papier stehen, so muss man eben nach Phasen suchen, in denen eine Mannschaft ergebnistechnisch die Oberhand über die Münchner hatte, oder zumindest mithalten konnte. Und das war seit der Winterpause gar nicht so selten. Hoffenheim spielte die Münchner 15 Minuten schwindelig, Leverkusen, Bremen und Stuttgart konnten sie über weite Strecken gut verteidigen. Doch bevor wir hier weiter ins Detail gehen, zunächst der Blick auf die Taktik unter Jupp Heynckes.

Kurz nachdem Heynckes erneut bei Bayern München anheuerte, wechselte er die Aufstellung auf ein 4-3-3 (bzw. 4-1-4-1). Warf man zuvor Ancelotti noch fehlende taktische Flexibilität vor, so scheint diese unter Heynckes gar nicht vonnöten zu sein. Am besten zeigt sich das, wenn man sich einen typischen Münchner Spielzug anschaut:

Gehen wir davon aus, dass der FC Bayern den Ball sicher in der letzten Verteidigungslinie hat, sagen wir einfach Hummels hat den Ball. In der Zentrale bieten sich mit entgegenkommenden Bewegungen die 3 bayrischen Mittelfeldspieler an. In den Halbräumen (also halb links, halb rechts) stehen die Außenverteidiger, meist sogar etwas vor dem Mittelfeld. Ganz an den Seitenlinien, auf Höhe der gegnerischen Verteidigung, steht „Robbery“, oder deren jeweiliger Ersatz. Somit ergibt sich im Mittelfeld quasi ein „C“ (Bayern von links nach rechts), das den Gegner in die eigene Hälfte drückt.

Bei zu starkem Pressing des Gegners lässt einer der Mittelfeldspieler den Ball nur prallen und das Spiel beginnt von vorne. Presst der Gegner nun nicht, sondern stellt die Spieler nur, so kann der Ball oft lange an dem „C“ entlang rotieren, oder von einer Seite passgenau auf die andere verlagert werden. Geduldig warten die Münchner auf Lücken, die sich irgendwann zwangsläufig auftun. Gerade Thomas Müller und Robert Lewandowski sind Experten darin, die gegnerische Verteidigung mit intelligenten Läufen auseinanderzuziehen. Doch auch ohne Lücken schiebt das „C“ bedingungslos weiter nach vorne, bis der Gegner nur noch um den eigenen Strafraum bangt. Das Tor ist auf die eine oder andere Art nur eine Frage der Zeit (außer am 3. Spieltag hat München in jedem Spiel getroffen). Bei Ballverlust, so selten er auch ist, schiebt München interessanterweise nach vorne. So wird der Gegner also auf engstem Raum, am eigenen Strafraum, mit bis zu 8 Mann unter Druck gesetzt. Ein eigentlich absurdes Pressing, das sich so nur die Bayern erlauben können. Stuttgart und Bremen konnten dieses lange überleben, bis die unvermeidlichen Tore fielen.

Interessanterweise war es Paderborn, das im Pokalspiel am Dienstag die Schwächen der Bayern aufdeckte. Letztere scheinen es einfach nicht gewöhnt zu sein, mit bis zu vier Mann zwischen ihren Innenverteidigern und dem Mittelfeld gepresst zu werden. So offenbarte Süle eklatante Schwächen bei langen, flachen Bällen, und auch Ulreich schlug den einen oder anderen Ball ins Seitenaus. Im Mittelfeld ließ man, wahrscheinlich bewusst, Tolisso den größten Raum, um so Pässe auf ihn zu erzwingen. Dieser tat sich zumindest hin und wieder schwer bei der Ballannahme, sodass Paderborn hier zu Ballgewinnen und folgenden Überzahlsituationen kommen konnte. Das Problem hierbei: auch bei riskanten Pässen des Rekordmeisters blieb dieser meistens im Ballbesitz, woraufhin der Drittligist weder schnell genug in die Defensive Ordnung kam, noch die individuelle Klasse hatte, im eins gegen eins zu verteidigen.

Offensiv pressten auch Hoffenheim und Leverkusen. Erstere eine viertel Stunde mit großem Erfolg, woraufhin sie die Wege nicht mehr konsequent genug gingen und das unvermeidliche folgte. Letztere ließen die berüchtigte Flügelzange gewähren, wodurch zum Beispiel Bailey es defensiv alleine mit Rafinha und Robben aufnehmen musste – eine aussichtslose Situation.

Was ist also die eine Taktik, die Bayern schlägt? Ganz einfach – die gibt es nicht.
Kein Team kann 90 Minuten in vorderster Linie pressen, noch dazu ohne Räume für Konter zu offenbaren. Aber auch kein Team kann sich über das ganze Spiel hinweg um den eigenen Strafraum verbarrikadieren, ohne Gegentreffer zu kassieren. Eine gesunde Mischung ist also der Schlüssel, und zwar keine halbherzige Zwischenlösung, sondern in dem Sinne, dass man ständig die Taktik wechselt. Mal Ballbesitz, mal Konter. Mal klare Mannorientierung, mal Raumorientierung – das forderte auch Domenico Tedesco auf der Pressekonferenz. Und: „Die Chancen, die man in Kauf nehmen muss, muss man überleben. Dann hat man eine Chance.“ Denn am Ende muss man es eben doch akzeptieren: Ohne Glück kann man gegen die Bayern, noch dazu in München, derzeit nicht gewinnen.