Die Bundesliga hat als erste große Liga weltweit noch während der Coronakrise den Spielbetrieb wieder aufgenommen – und nahm dafür die bekannten Geisterspiele in Kauf. Wirtschaftsexperte Prof. Dr. Günter Vornholz fragt sich, ob das Coronavirus für die deutschen Profiklubs tatsächlich existenzbedrohend ist.
Von Prof. Dr. Günter Vornholz
Die DFL verkündet jährlich voller Stolz steigende Gewinne. Nach dem „DFL Wirtschaftsreport 2020“ ging es der Bundesliga so gut wie noch nie: mit 4,8 Milliarden Euro Umsatz ist es der 15. Rekord hintereinander. Und jetzt drohte der Profifußball zu sterben, weil unsicher war, ob ein Viertel der Spieltage einer Saison zu Ende gespielt werden kann. In anderen Profiligen wurden drastischere Konsequenzen gezogen, so wurde im Eishockey die komplette Finalrunde abgesagt und kein Meister ermittelt.
Auch wenn so die größte Gefahr einer Insolvenz – zunächst – verhindert worden ist, wird das nicht ohne Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Vereine bleiben. DFL-Chef Seifert hält die Austragung von Geisterspielen kurzfristig für „die einzige Überlebenschance für viele Klubs.“ Watzke vom BxB geht davon aus – vielleicht auch nur um öffentlichen Druck zu erzeugen – dass „Proficlubs in den kommenden Jahren horrende Verluste schreiben, da es nichts mehr zu verteilen gibt“.
Von den Befürwortern der Fortführung des Spielbetriebs wurde geschickt auf zwei Ebenen argumentiert. Zum einen wurde auf die gesellschaftliche Funktion des Fußballs verwiesen: Fußball als gemeinsames, gesellschaftliches und emotionales Ereignis. Ohne Fußballspiele im Stadion mit und/oder seinen Fans hätte der Profifußball keinen gesellschaftlichen Wert. Fußball stellt eine Ablenkung dar und ist damit ein ganz wichtiger sozialer Faktor. Zum anderen wurde die wirtschaftliche Bedeutung aufgezeigt, da hierdurch Arbeitsplätze bei den Vereinen und in weiteren Bereichen wie Medien oder Gastronomie gefährdet werden. Schon ein wenig anmaßend, wenn bedacht wird, dass dies direkt oder indirekt nach DFL-Angaben 56.000 Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsplätze sind.
In vielen Berichten wird auf die (teilweise sehr hohe) Verschuldung der Vereine hingewiesen, aber nicht die Höhe der Schulden ist das Grundproblem, sondern die Liquiditätssituation. Um die Existenz der Bundesligavereine zu sichern, bieten sich verschiedene Überlegungen an, die im Folgenden näher aufgezeigt werden sollen.
Auf der Einnahmenseite der Vereine zeigt sich die extrem hohe Abhängigkeit: keine Spiele – fast keine Einnahmen. Die drei wichtigsten Einnahmenquellen sind der Verkauf der Medien-Vermarktungsrechte, der Abschluss von Sponsorenverträgen und die Einnahmen durch Tickets. In der Bundesliga nehmen die Einnahmen durch Tickets prozentual den kleinsten Anteil ein (etwa nur noch 13 Prozent der Einnahmen). Die mediale Vermarktung hat einen Anteil von mehr als einem Drittel (36 Prozent) des Gesamtumsatzes. Das Sponsoring ist dabei eng mit den TV-Übertragungen verknüpft und hat einen Anteil von gut 20 Prozent.
Durch den Lockdown gehen in der laufenden Spielzeit Einnahmen aus Sponsoring und Ticketing sowie aus dem Businessbereich verloren. Sollte die aktuelle Saison abgebrochen werden, müssten TV-Gelder plus TV-abhängige Sponsoreneinnahmen zurückgezahlt werden. Zukünftige Verträge bzw. Vertragsverlängerungen mit Sponsoren oder Hospitality-Buchungen sind ungewiss. Schließlich sind auch noch offenen Rechnungen gefährdet, deren Zahlungen infrage stehen, da auch die Partnerfirmen wirtschaftlich bedroht sind. Würde auch in der kommenden Saison ohne Stadionpublikum gespielt werden, wären auch für diesen Zeitraum bereits Mindereinnahmen einzukalkulieren.
Als Reaktion der Vereine auf die gegebenen und immer noch drohenden Einnahmeverluste könnten Dauerkarten- und Ticketinhaber auf die Erstattung der Gelder verzichten. Dies würde aber aufgrund der niedrigen Einnahmeanteile nur geringe Effekte auslösen, aber vor allem öffentlichkeitswirksam sein. Die Erlöse der medialen Verwertung werden nur gezahlt, wenn auch Spiele übertragen werden. Ebenso problematisch sind die Möglichkeiten der Vereine bei Werbe- und Sponsorenverträgen, hier kann ein Verein nur auf das Entgegenkommen der Vertragspartner hoffen. Aufgrund der Krise wird außerdem befürchtet, dass die Spielerwerte massiv zurückgehen und damit Transfererlöse ausfallen werden. Die Transferwerte werden zunehmend geringer je länger die Krise anhält.
Auf der Ausgabenseite können die Vereine nicht vollständig die Erlösausfälle kompensieren. Die größten Ausgaben werden für Spielergehälter gemacht, ihr Anteil liegt bei rund 36 Prozent. Die meisten Vereine haben mit ihren Spielern Gehaltsreduzierungen im geringen Prozentbereich vereinbart. Ein drastischer Gehaltsverzicht der Profis, so die Äußerung von Vereinsvertretern, würde aber nicht ausreichen. Die Vereinsmitarbeiter, i. d. R. nicht die Spieler, wurden aber vielfach in Kurzarbeit geschickt. Über die Transferausgaben, die immerhin mehr als 20 Prozent der Ausgaben ausmachen, wird nur wenig gesprochen, sie bieten aber viel Einsparpotenzial. Hinzu kommen die Zahlungen an die Spielervermittler, die bei jedem Transfer anfallen oder sogar selbst dann wenn der Vertrag verlängert wird. In der Transferperiode 2017/18, die letzten vorliegenden Daten, betrugen die Ausgaben der Bundeligavereine lt. DFL fast 200 Mio. Euro: eine phantastische Einsparmöglichkeit.
Weitere Möglichkeiten bestehen bei den Zins- und Tilgungszahlungen, wo mit den Banken und anderen Gläubigern gesprochen werden muss. Kulante Lösungen können auch mit Unternehmen, mit denen die Vereine in Geschäftsbeziehungen stehen, vereinbart werden. Weniger Potenzial besteht bei den Ausgaben für den Spielbetrieb (10 Prozent Anteil), da, auch wenn die Spiele ausfallen, die Infrastruktur erhalten werden muss.
Die zu erwartenden Einnahmenverluste können daher durch Ausgabenkürzungen nicht vollständig kompensiert werden, sodass weitere Einnahmen aus Krediten o. ä. notwendig sein können. Den Vereinen stehen üblicherweise Kreditlinien zur Verfügung, die hoffentlich jetzt noch nicht ausgeschöpft sind. Deren Höhe und Ausnutzung wird aber nicht kommuniziert und insbesondere in Krisenzeiten werden sie gern von den Banken reduziert. Zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit könnten auch eventuell KfW-Kredite eingesetzt werden. Wirtschaftsunternehmen erhalten diese und warum sollten nicht auch die Fußballbundesliga-Unternehmen diese nutzen? Auch das Freizeitunternehmen TUI hat einen solchen Kredit erhalten. Eine weitere Alternative wird nach Informationen der FAZ von der DFL angedacht. Danach soll der Liga eine Investmentbank für einen Finanz-Notplan einen Überbrückungskredit über Hunderte Mio. Euro besorgen, der später von den Vereinen mit künftigen Einnahmen aus Medienrechten zurückgezahlt werden soll.
Als Reaktion auf die finanziellen Probleme wurde von der DFL beschlossen, dass die Lizensierung der Vereine an die Corona-Situation angepasst wird. Dies betrifft vor allem die Bestimmungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und deren Prüfung vor und während einer Spielzeit. Ziel ist es, allen Clubs die Möglichkeit und Zeit zu geben, die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu bewältigen und den regulären Spielbetrieb fortzusetzen. Für die laufende Spielzeit wird der Abzug von neun Gewinnpunkten als Sanktion für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgesetzt; in der kommenden Saison würde die Sanktion geringer ausfallen. Es wird weiterhin für die kommende Saison auf die Überprüfung der Liquiditätssituation der Clubs verzichtet. Erst zur Saison 2021/22 soll das Lizenzierungsverfahren wieder in der üblichen Weise angewendet werden.
Meiner Meinung nach zeigt sich, gerade jetzt in der Krise, das sehr risikoreiche Geschäftsmodell der Vereine mit einer sehr hohen Abhängigkeit von den Spielen und mangelnder Flexibilität bei den Ausgaben. Viele Vereine geben alle Einnahmen in der laufenden Saison wieder aus, statt Rücklagen zu bilden. Sicherlich kann sich kein Verein erlauben, Mio.-Gelder auf dem Festkonto (insbesondere in sportlich schwierigen Zeiten) zu haben, aber hohe Mio.-Schulden und Vorgriffe auf potenzielle Einnahmen nächster Jahre sind sicherlich keine nachhaltige Finanzpolitik. Die Krise ist für die meisten Vereine vermutlich wenig existenzbedrohend, aber es stellt sich die Frage, ob die Bundesliga, so wie sie sich heute darstellt, am Leben erhalten bleiben bzw. einfach so weiter agieren soll?
Dr. Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum