Immer wieder waren vor der Mitgliederversammlung des FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. Stimmen laut geworden, die endlich die Abwahl von Clemens Tönnies forderten. Ein wiederkehrendes Ritual, dass dann am Ende oft doch nicht mehr als heiße Luft ist. So auch dieses Mal.
Wieder gelang es dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Wurstkönig aus Ostwestfalen-Lippe die unentschlossenen Vereinsmitglieder auf seine Seite zu ziehen. Manche behaupten, es sei typisch deutsch das Gewohnte zu bevorzugen, andere machen es an seinen Reden fest, die egal ob man das Gesagte befürwortet oder nicht, im Vergleich zu denen der Gegenkandidaten herausstechen.
Tönnies hat Kontakte, Leidenschaft für Schalke und Geld. Wohl die Kombination, die bei den Mitgliedern am stärksten zieht. Fußballerischer Sachverstand oder Timing sind Eigenschaften, die erst später in der „Must-Have“-Liste der Jobbeschreibung als Schalke-„Boss“ zu stehen scheinen. Eins ist jedoch klar: Weiter so geht nicht. Trainer und Manager, die sich so oft abwechseln, dass kaum jemand alle Verantwortlichen der letzten 10 Jahre aufzählen kann, Transfers, die in einer Vielzahl floppen, dass selbst der HSV neidisch wird und ein Jugendtrainer, der mehr Anerkennung fordert.
Vieles sei falsch gelaufen, gibt auch Tönnies auf der Mitgliederversammlung 2019 des Schalke 04 zu und er übernehme auch dafür die gesamte Verantwortung. Aber wie sieht diese Verantwortung aus? Welche Konsequenzen zieht der Club? Nach dem Wochenende ist klar, es gibt keine Konsequenzen, die Tönnies betreffen. Dieser wurde erneut zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Wahrscheinlich auch, weil Schalke ohne die Tönnies Gelder ganz andere Probleme gehabt hätte.
Doch wann gibt es endlich die Struktur, die Schalke in die Zukunft führt? Mit dem immer gleichen Aufsichtsratschef, der eigentlich die Aufgabe hat, genau solche Fehlentwicklungen früh zu erkennen und zu beheben? Auf Schalke heißt die Antwort: Ja! Tönnies bleibt und das mindestens noch 3 weitere Jahre.
Viel mehr Hoffnung legen die Schalker nun auf Jochen Schneider, Norbert Elgert, Michael Reschke, David Wagner und Sascha Riether. Viele neue Gesichter in der sportlichen Leitung des Vereins unterstützt von denjenigen, die dem Verein schon lange treu ergeben sind. Doch ist gerade bei Sascha Riether die Frage, ob er den Verein wirklich „länger“ kennt. 2015 wechselte er von Freiburg an die Ruhr und überzeugte in Gelsenkirchen weniger durch seine sportlichen Erfolge als durch sein Engagement für Verein und Mannschaft. Genau diese Funktion wird er in Zukunft auch offiziell bekleiden als Koordinator für den Lizenzspielerbereich und Verbindung zwischen sportlicher Führung und Team. Eine Funktion, die auf Dortmund Sebastian Kehl innehat. Kehl war im Gegensatz zu Riether 15 Jahre Spieler bei den Borussen, Kapitän und wurde mit ihnen zweimal Deutscher Meister. Es ist demnach eine andere Ausgangsposition. Dennoch ist man auf Schalke davon überzeugt, dass Riether genau der Richtige für den Job ist. Erst im Mai wurde er als Spieler verabschiedet und konnte aufgrund dessen Vertrauen zu seinen ehemaligen Teamkollegen aufbauen, das so manch einem Führungsposten verwehrt bleibt.
Am vergangenen Sonntag wurden Zeichen gesetzt. Kleine Zeichen, aber zumindest welche in die scheinbar richtige Richtung. Die neue Führung stellte sich und den Plan für Schalke vor. Weston McKennie, seit 2016 bei den Knappen, wurde langfristig gebunden, ebenso wie die aktuellen Jungtalente Ahmed Kutucu, Nassim Boujellab und Jonas Carls. Auf diese Weise will die neue Führung ablösefreie Abgänge von eigenen Talenten vermeiden. Matip, Kolasinac, Meyer und Goretzka scheinen genug Beispiele für den Revierclub gewesen zu sein. Weitere Zeichen wurden vor allem nach innen gesetzt. Peter Peters appellierte leidenschaftlich an die Verbannung von Rassismus und Diskriminierung im Fußball und Alexander Jobst warnt vor weniger rosigen Jahren durch das Ausbleiben der UEFA-Millionen. Ein Rückschlag für den Verein, der an sich selbst den Anspruch hat oben mitzuspielen. Doch grade sucht man erst einmal das ruhige Fahrwasser. Das Ziel für die kommende Saison: Kein Abstiegskampf! Ungewohnt kleine Brötchen, die in Gelsenkirchen derzeit gebacken werden, aber möglicher Weise endlich der nüchterne Blick in die Zukunft als Verein.