Sexuelle Belästigung im Stadion – Warum Frauen im Fußball immer noch nicht die Normalität sind

Der Fall einer ziemlich hartnäckigen sexuellen Belästigung in der Schalker Nordkurve sorgte vor rund einer Woche für Schlagzeilen. Dabei ist sexuelle Belästigung ein Problem, das nicht auf Gelsenkirchen beschränkt ist, sondern ganz Fußball-Deutschland haben dürfte. Auch unsere Autorin Luisa Bomke hat entsprechende Erfahrungen gemacht.

Ein Kommentar von Luisa Bomke

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Das erste Mal im Stadion war ich mit 11 Jahren. Meine ganze Familie war mit dabei. Für mich war es das Ereignis des Jahres, denn endlich nahmen mich meine Eltern mit in die Veltins-Arena. Ein Ort, mit dem ich eine Traumwelt verband, da ich immer zu unglaubliche Geschichten von den Besuchen meiner Eltern mitbekam. Auch Mama ist Stammgast beim FC Schalke 04. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ein 3:1 Sieg gegen Mönchengladbach und eine Stimmung, die ich nie vergessen werde, ließen mich dem S04 komplett verfallen.

Mein erster Stadionbesuch von unzähligen. Egal, ob Heim oder Auswärts, mit Freunden oder Familie. Ich versuchte die Königsblauen so oft wie möglich live anzufeuern. In guten und in schlechten Zeiten, aber mit der Zeit legten sich ein paar Schatten auf mein Fan-Dasein. Ich merkte schnell, dass man in den Stadien der Welt, egal ob 1., 2. Bundesliga, Kreisliga oder international als Frau anders wahrgenommen wird.

Bist du mit deinem Freund hier? Weißt du überhaupt was Abseits ist? Und welchen Typen willst du beeindrucken? Diese Fragen, die immer implizierten, dass Frauen weiß Gott nichts von Fußball verstehen, konnte ich mit zwei, drei guten Sprüchen und ein bisschen Fußballwissen schnell entkräften und bekam oftmals Lob dafür. „Du bist nicht auf den Mund gefallen und von Fußball verstehst du auch was.“, war eine Reaktion, die ich nicht nur einmal hörte. Doch wirklich unangenehm wurde es immer dann, wenn die Männer an Stadien oder in den Blöcken keine Distanz wahrten.

In der Schlange stehen sie so nah hinter dir, dass du ihr Geschlechtsteil spüren musst. Im Block berührt dich die Hand des Nebenmanns regelmäßig an Stellen, an denen es irgendwann kein Zufall mehr ist und Sprüche, die unter die Gürtellinie gehen und dir zweideutige Angebote unterbreiten, sind vor allem bei Auswärtsfahrten Gang und Gebe. So hielten mich bei einem Bundesligaspiel zwei Braunschweiger Fans am Arm fest: „Ey, Schalker Hure, blas mir einen!“ Die Männer waren Mitte 30. Ich war 14.

Den Höhepunkt erlebte ich dann in der letzten Saison beim Spiel gegen Freiburg. Ein „Fan“, der zum ersten Mal im Stadion war, pinkelte auf den Weg zum Eingang Nord. Er holte einfach sein Geschlechtsteil raus und verrichtete sein Bedürfnis in Mitten von Frauen und Kindern. Mein Cousin sprach ihn an und bat ihn am Rand in den Busch zu pinkeln, wie das alle tun. Doch das sah der Mann nicht ein: „Ist mir doch scheiß egal, die haben hier eh nichts zu suchen.“ Genau in dem Moment kam ich von der Toilette angerannt. Zwei Faustschläge in meine Schläfe später, fand ich mich auf dem Boden wieder. Er hatte einfach eine Frau geschlagen und seine Freunde ließen ihn laufen. Eine Gehirnerschütterung, eine Anzeige gegen Unbekannt und der Fakt, dass ich mich wegen eines solchen Idioten in meinem „Wohnzimmer“, der Schalke-Arena, nicht mehr wie Zuhause fühlte, waren die Folgen dieses Tages.

Ich kann zum Glück behaupten, dass sich meine Erfahrungen mit Sexismus auf ein Minimum begrenzen und in den wirklich brenzligen Situationen stets Freunde oder andere Fans zur Unterstützung kamen. Doch dies ist nicht immer der Fall. Das beweist die mutmaßliche sexuelle Belästigung, die Ende November in der Nordkurve stattfand.

Meine Erfahrung ist, dass die direkte Ansprache des Täters vor anderen Menschen ihn so sehr abschreckt und einschüchtert, dass er das Weite sucht. Die Bloßstellung ist oft Strafe genug. Dennoch ist mit Selbstbewusstsein nicht alles getan. Wir Frauen müssen unsere Stimme erheben und gegen Sexismus in Stadien aufstehen. Wir können stolz darauf sein, wenn wir uns besser mit Fußball auskennen als so mancher Mann und müssen uns dafür nicht schämen. Wir können ebenso in Pulli und mit Bier in der Kurve stehen, ohne als männlich zu gelten oder nur das Anhängsel unseres Partners zu sein. In 12 Jahren als Stadiongängerin kann ich die Ereignisse an einer Hand abzählen. Manche von ihnen daheim in der Veltins-Arena, einige andere davon bei Auswärtsfahrten. Egal ob von gegnerischen oder eigenen Fans, jeder dumme Spruch, jede Berührung die mehr als Zufall war, ist eine zu viel. Und alle Männer, die dies lesen, können mir glauben, dass ich unterscheiden kann, wann etwas Zufall ist, wann es einfach Gedränge in der Menge gibt oder wann es eine gezielte Grenzüberschreitung ist.

Ich bin definitiv keine Alice Schwarzer, aber Frauen müssen endlich ernst genommen werden, wenn sie von Sexismus berichten. Jedes Mal, wenn ein Vorfall klein geredet wird, stärkt das die Täter, die zum Glück in der Unterzahl sind. Ich freue mich immer noch auf jeden Stadionbesuch und lasse mich von so etwas nicht unterkriegen. Denn ich weiß, es ist die Ausnahme.