Schalke verliert den Bundesliga-Auftakt mit 1:2 in Wolfsburg. Während der Videoschiedsrichter im fernen Köln das Spiel zuungunsten des S04 beeinflusst, machen die Knappen schlicht zu viele Fehler.
Etwas überraschend brachte S04-Cheftrainer Domenico Tedesco Neuzugang Suat Serdar für Nabil Bentaleb. Der Ex-Mainzer bearbeitete zusammen mit Weston McKennie das zentrale Mittelfeld. Während Serdar die 8er-Position bekleidete, spielte McKennie auf der 6.
Das Problem: Wolfsburg konzentrierte sich darauf, Schalkes Spielaufbau genau dort, im zentralen Mittelfeld, empfindlich zu stören. Die Wölfe gingen oft mit mehreren Spielern den ballführenden Spieler konsequent an und stellten stets Überzahl in Ballnähe her. So gab es auf Schalker Seite viel zu viele Ballverluste in der Vorwärtsbewegung. Nach dem Spiel zählten die Statistiker 21 Wolfsburger Balleroberungen – gegenüber derer 9 auf Seiten des FC Schalke. Suat Serdar hing mit zunehmender Spielzeit völlig in der Luft und kam bis zu seiner Auswechslung in der 82. Spielminute auf gerade einmal 31 Ballkontakte.
Weil das zentrale Mittelfeld für Schalke an diesem Tag quasi unüberbückbar war, konzentrierten sich die Knappen zunehmend auf den Spielaufbau über die eigene Innenverteidigung und über die Außen. Aber auch das klappte nur bedingt. Nach 90 Spielminuten hatte Schalke von den beiden Flügeln lediglich 9 Flanken geschlagen, Wolfsburg 16. Davon führten lediglich drei Schalker Flanken zu Torschüssen.
Schalkes fehlende Präzision lässt sich auch anhand der Passquote ablesen. Während die von Bruno Labbadia trainierten Wölfe 79 Prozent ihrer Pässe an den Mann brachten, waren es bei den Schalkern lediglich 68 Prozent.
Auch bei der Laufleistung und der Zweikampfquote war Wolfsburg stärker: Der VfL Wolfsburg gewann 54 Prozent aller Zweikämpfe und lief immerhin 5 Kilometer mehr (112 km zu 107 km) als Schalke.
Als ob das nicht genug wäre, pennte Schalkes Abwehr zwei Mal folgenschwer. In der 33. Spielminute ließ Schalkes Verteidigung bei einer Ecke ausgerechnet den Wolfsburger Hünen Anthony Brooks mutterseelenallein. Der konnte sein Glück kaum fassen und köpfte völlig frei zum 1:0.
Die ganz großen „Highlights“ folgten allerdings in Halbzeit zwei. Nach einem Foul von Matija Nastasic entschied Schiedsrichter Patrick Ittrich zunächst auf Gelb, bekam allerdings vom „Video Assistant Referee“ (VAR) in Köln die Info, sich die Szene gegebenenfalls nochmals anzusehen. Ittrich entschied nach dem Studium der Videobilder auf Rot und schickte Nastasic vom Platz (66.). Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer analysierte bei Bild.de: „Schalkes Nastasic sah erst Gelb, nach Überprüfung Rot wegen Grätsche. Für mich absolut korrekt. Dafür ist der Video-Beweis da. Eine klare Fehleinschätzung wurde korrigiert“. “Das ist doch kein Rot”, schimpfte hingegen Daniel Caligiuri beim Blick auf die TV-Bilder im Kabinengang: “Matija trifft klar den Ball.”
Bei Wolfsburgs Wout Weghorst lief es wenige Minuten später genau umgekehrt. Erst sah der Niederländer wegen einer vermeintlichen Tätlichkeit die Rote Karte – er hatte Guido Burgstaller mit dem Kopf umgerammt. Nachdem der Schiedsrichter seine Entscheidung aber erneut überprüft hatte, korrigierte er sich, nahm die rote Karte zurück und zückte lediglich die gelbe Karte. Nicht nur der Schiedsrichter-Experte Thorsten Kinhöfer fragt sich: „Warum hat Ittrich sich da korrigiert?“ Und weiter: „Der Platzverweis war aus meiner Sicht absolut vertretbar. Da schwächt der Schiedsrichter massiv seine Autorität. Es war auch keine klare Fehlentscheidung, dort Rot zu geben. Warum griff der VAR da ein?“
„Die entscheidenden Fehler hat für mich der Mann in Köln gemacht“, sagte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel nach dem Spiel. „Er hätte nicht eingreifen müssen, denn es lagen keine gravierenden Fehlentscheidungen vor. Mir hat der Schiedsrichter leidgetan, die Konfusion hat Köln reingebracht. Dort ist jemand in kompletten Aktionismus verfallen. Der Schiedsrichter hätte wahrscheinlich ein wunderbares Spiel gemacht, wenn der Videoassistent sich nicht gemeldet hätte.“ Nach dem Spiel bestätigte Schiedsrichter Ittrich diesen Eindruck, nachdem sich Schalkes Cheftrainer Domenico Tedesco über den Umgang des Schiedsrichters gewundert hatte: „Ich habe in der Tat sehr emotional mit Herrn Tedesco diskutiert. Habe versucht ihm zu erklären, dass es ein superschweres Spiel für mich ist.“
Ein bisschen Fußball wurde auch noch gespielt: Der eingewechselte Nabil Bentaleb verwandelte in der 85. Spielminute einen Foulelfmeter zum auf Schalker Seite viel umjubelten 1:1-Ausgleich. In der vierten Minute der Nachspielzeit traf jedoch der ebenfalls eingewechselte Daniel Ginczek für den VfL Wolfsburg zum 2:1-Siegtreffer, nachdem Schalkes Abwehr erneut wenig souverän und wenig sortiert stand.
In seiner Analyse nach dem Spiel konzentrierte sich Tedesco auf das Spielerische und suchte den Fehler nicht bei den Offiziellen: „Wir haben in den ersten 15 Minuten ein gutes Spiel gezeigt und hatten durch Suat Serdar auch das 1:0 auf dem Fuß. Danach gehörte die erste Halbzeit komplett Wolfsburg. In der Pause haben wir umgestellt auf 4-2-3-1, nach dem Platzverweis gegen Matija Nastasic haben wir unsere Ausrichtung erneut verändern müssen. Danach haben wir noch mehr nach vorne verteidigt. Wir hatten in Unterzahl viele Ballgewinne. Die Jungs sind marschiert, haben dran geglaubt und sich mit dem Ausgleich belohnt. Am Ende verlieren wir trotzdem. Das ist sehr schade. Die erste Hälfte war nicht gut, die zweite umso besser.“
Tedesco weiter: „Dass der Schiedsrichter die Rote Karte gegen Wout Weghorst zurückgenommen hat, ist legitim. Und selbst wenn es auch einmal eine Fehlentscheidung ist, müssen wir das alle akzeptieren. Wir alle machen Fehler. Wichtig ist mir, dass wir alle fair miteinander kommunizieren. Das wünsche ich mir von allen Beteiligten. Man darf emotional sein, der Fußball lebt von Emotionen – aber ich lege großen Wert darauf, wie man miteinander umgeht. Und damit meine ich explizit nicht den VfL Wolfsburg. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Wichtig ist mir abschließend, dass wir die Schuld für die Niederlage nicht beim Schiedsrichter suchen.“
Sein Gegenüber Bruno Labbadia: „Es war ein extrem intensives Spiel, das beide Mannschaften in meinen Augen taktisch gut geführt haben. Dass wir das 1:0 nach einer Standardsituation erzielt haben, macht mich sehr froh. Denn ruhende Bälle sind gerade eine der Stärken der Schalker. Meine Mannschaft hat insgesamt mutig agiert und sich den Sieg ein Stück weit erarbeitet. Natürlich gehört auch ein Quäntchen Glück dazu, wenn man gegen eine Topmannschaft wie Schalke, die zurecht in der Champions League antreten darf, spielt. Das 1:1 war ein Nackenschlag. Trotzdem haben wir die Köpfe nicht hängenlassen. Das wurde in der Nachspielzeit belohnt.“