Digitalisierung. Ein Schlagwort, an dem man heutzutage kaum noch vorbei kommt. Die meisten Menschen haben damit im Privatleben schon seit einigen Jahren durch Smartphones und Co. Berührungspunkte und auch im Berufsalltag gewinnt das Thema mehr und mehr an Bedeutung. Kurz gesagt: Wer sich nicht mit Digitalisierung beschäftigt, wird früher oder später den Anschluss verlieren. Aber was hat das Thema mit einem Fußballverein zu tun? Die Hintergründe sind hier vielleicht nicht ganz so naheliegend und auf den ersten Blick ersichtlich. Aber Digitalisierung ist ein weites Feld. Es gibt kaum ein Thema, kaum einen Prozess, der nicht (zumindest theoretisch) digitalisiert werden kann. Was bedeutet das für Schalke? Inwieweit beschäftigt man sich dort eigentlich mit dem Thema und welche Möglichkeiten bietet es?
Von Anja Grohnert
Vor allem in den letzten zwei Jahren, getrieben auch durch Christian Heidel, hat sich bei den Königsblauen einiges in dieser Hinsicht getan. Schalke gilt als Vorreiter, als einer der digitalisiertesten Vereine.
eSport beim S04
Nehmen wir z.B. das Thema eSport, was im weiteren Sinne betrachtet in dieses Umfeld eingeordnet werden kann. Seit 2016 wird der Online-Sport professionell betrieben, als einer der ersten Clubs gibt es beim S04 eine eigene Sparte, der Verein tritt mit professionellen Vertrags-Spielern auf den Events an. Dadurch eröffnen sich nicht nur neue Marketingmöglichkeiten, denn der eSports-Markt ist einer der am stärksten wachsenden Märkte in den letzten Jahren. 2016 verfolgten weltweit etwa 214 Millionen Zuschauer die Veranstaltungen. Durch Sponsoren- und Preisgelder können unter Umständen auch neue Einnahmequellen generiert werden.
Chips im Trikotärmel
Auch in anderen Bereichen kann Schalke sich als Innovationsführer in der Bundesliga betrachten. Mit Abschluss eines neuen Sponsorenvertrages für den Trikotärmel mit dem Online-Supermarkt AllyouneedFresh wurde auch eine neue Bezahlmöglichkeit im Stadion implementiert. Die seit dieser Saison erhältlichen (Heim-)Trikots sind mit einem integrierten Chip im Logo des Sponsors ausgestattet, mit dem in der Arena bezahlt werden kann. Ebenso wie die parallel weiter nutzbaren Knappenkarten kann dieser bequem von zuhause über diverse Wege aufgeladen werden – langes Anstehen an den Ladeterminals wird damit hinfällig.
Digitales Scouting bei Schalke 04
Der für Schalke aber wohl wichtigste Schritt in das Thema Digitalisierung, oder zumindest derjenige, der das größte Potenzial verspricht, ist das digitale Scouting. Dabei geht es natürlich um weit mehr, als sich zusammengeschnittene Highlight-Videos potenzieller Spieler anzuschauen und auf dieser Basis Neuverpflichtungen vorzunehmen. Christian Heidel hat das komplette Scoutingsystem bei S04 revolutioniert. Wo in der Vergangenheit eine handvoll Scouts in der Welt umhergereist sind und einzelne Spiele(r) in ausgewählten Ligen beobachtet haben um neue Talente zu finden, sind heute zunächst datenbankgestützte Suchparameter am Werk. Jeder digitale Talentsucher ist für eine Liga zuständig und kann mit Hilfe des Computers innerhalb weniger Stunden nach Spielende sämtliche Daten aller Spiele in seinem Zuständigkeitsbereich abrufen. 27 Ligen werden so unter die Lupe genommen.
Mit dieser erweiterten Abdeckung eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, auch abseits der europäischen Top-Ligen nach passenden Spielern Ausschau zu halten. Im Rahmen der Kaderanalyse werden sowohl die Positionen definiert, auf denen zukünftig Bedarf herrscht, als auch die Kriterien, die die Spieler möglichst zu erfüllen haben. Passen Spieler auf das Profil für die zu besetzenden Positionen findet eine persönliche Beobachtung durch das Team der Schalker Scouting-Abteilung statt. Bestätigen sich dort die Eindrücke der digitalen Vorauswahl, wird das Talent der sportlichen Leitung vorgeschlagen und eine Verpflichtung geprüft. Somit wird das altbewährte System nicht durch das digitale Scouting abgelöst, sondern eher ergänzt.
Amine Harit: Digital gescouted
Entscheidend an dieser Stelle sind die Suchkriterien. Welche Positionen sollen mit welchen Spielertypen besetzt werden? Schnell, wendig und dribbelstark oder doch robust, kopfballstark und passsicher? Die definierten Parameter sind die Basis für eine erfolgreiche Suche, denn am Ende kann eine Datenbank auch nur das auswerten, was ein Mensch ihr vorgibt. Wichtig dabei ist auch, nicht zu sehr auf die reinen Zahlen oder die Effektivität zu achten. Spieler, die sich hier hervortun, stehen vermutlich auch schon im Fokus europäischer Top-Vereine, mit denen dann um eine Verpflichtung konkurriert werden müsste und / oder sind bereits zu kostspielig. Es bedarf also auch eines gewissen Gespürs, Potenziale zu sehen und Entwicklungsmöglichkeiten einzuschätzen.
Erste Erfolge beim digitalen Scouting konnten kurz nach der Einführung auch bereits erzielt werden. Im Frühjahr 2017 gelangte Amine Harit so auf den Zettel der Schalker! Der Rest der Geschichte ist (bis hierher) bekannt. Und wer weiß, vielleicht werden in Zukunft digital gescoutete Spieler nicht nur vom Profi- sondern auch vom FIFA eSport-Team verpflichtet und führen so in mehrerlei Hinsicht zu weiteren Erfolgen.