Es waren unfassbare Szenen am 21.08.2013, als beim Champions League-Qualifikationsspiel gegen PAOK Saloniki eine Hundertschaft der Polizei in Kampfmontur die Schalker Nordkurve stürmte. Polizei-Einsatzleiter Klaus Sitzer hatte seine Beamten geschickt, um unter allzu offensichtlicher Gewaltanwendung ein Banner in der Kurve der Schalke-Fans einzusammeln.
Griechische Fans hätten sich provoziert gefühlt und ihrerseits angedroht, Gewalt anzuwenden und Nordkurve und/oder das Spielfeld – so genau weiß das vermutlich niemand mehr – zu stürmen. Sitzer reagierte wenig souverän, ließ sich einschüchtern – an anderer Stelle wurde formuliert: „ließ sich erpressen“, attackierte und verletzte viele friedliche Schalke-Fans (Alle Infos zu den Geschehnissen HIER).
Für Unverständnis sorgte eine Meldung Anfang Juni 2015: Während sich zahlreiche Schalke-Fans nach wie vor gegen Strafverfahren im Zusammenhang mit den Geschehnissen am 23.08.2013 wehren müssen, wurden die Ermittlungen gegen die Polzeibeamten Mitte Mai eingestellt. Es sei weder dem Polizeiführer noch einem der Beamten ein Fehlverhalten oder unverhältnismäßige Gewaltanwendung nachzuweisen.
Seit August 2013 erfreut sich Klaus Sitzer – vorsichtig ausgedrückt – nicht mehr uneingeschränkter Beliebtheit auf Schalke. Ein Banner in der Schalker Nordkurve zeugt davon: „Sitzer absetzen“. Bislang kümmerte es offiziell niemanden. Bislang. Denn wie die „WAZ“ berichtet, hat sich Sitzers Chef, Innenminister Ralf Jäger, jetzt an S04-Geschäftsführer Peter Peters gewandt.
Jäger beruft sich in seinem Brief offenbar auch auf ein Grafitti auf einer Lärmschutzwand an der A42. Dort sei zu lesen: „Klaus Sitzer Hurensohn“. Zumindest thematisiert Jäger das Grafitti, deren Urheber er in Schalkes Fanszene vermutet, in seinem Brief.
Außerdem kritisiert Ralf Jäger das Banner „Sitzer absetzen“, das seit Sommer in der Schalker Nordkurve prangt. Das Banner sei sogar im Schalker Jahreskalender zu sehen. „Dies führt zu einer ständigen persönlichen Belastungssituation“, schreibt der Minister nach Informationen der „WAZ“. Dass dieser 23.08.2013 nach wie vor auch die Schalker Fanseele belastet, scheint ihm nicht in den Sinn zu kommen.
Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, erwartet ein Handeln seitens S04: „Der Verein hat das Hausrecht im Stadion. Er muss dafür sorgen, dass die Angriffe eingestellt werden.“
Es ist schon erstaunlich, wie wenig Fingerspitzengefühl die hochrangigen Beamten in dieser Angelegenheit besitzen: bis heute gab es keine offizielle Entschuldigung, die zumindest die 87 im Rahmen des Polizeieinsatzes verletzten Fans verdient gehabt hätten – denn, klar, es käme einem Schuldeingeständnis gleich. Schlimmer noch: Der FC Schalke 04 sah sich vor zwei Jahren genötigt, sich bei Jäger zu entschuldigen und seine scharfe Kritik am Polizeieinsatz zurücknehmen. Im Gegenzug verzichtete Innenminister Ralf Jäger auf den erst zwei Tage zuvor vollmundig angekündigten Rückzug der Einsatzkräfte aus der Schalker Arena. Und dass nun selbst verbale Kritik erstickt werden soll, dürfte die Wogen nicht unbedingt glätten.
Apropos Fingerspitzengefühl: Es spricht schon Bände, wenn Arnold Plickert sich in diesem Zusammenhang ausgerechnet einen „Angriff“ der Schalker Fans auf den Polizei-Einsatzleiter verbittet – den Einsatzleiter, der beim Sturm der Nordkurve in Kauf nahm, Dutzende unbeteiligte Schalker zu verletzten…