Eine Hommage an die Bundesliga

— Die Reportage über eine Exkursion —

Das deutsche Oberhaus ist eine Liga für sich. Das wurde mir einmal mehr bewusst, als ich am 18. August in der Alten Försterei stehe. Es ist nicht mein erster Besuch dort und wird auch nicht mein letzter sein. Berlin ist seit November mein Zuhause.

IMG_9327

22.457 Menschen stehen Schulter an Schulter, sind ergriffen und singen im Chor:

„Eisern Union
Immer wieder Eisern Union
Immer weiter ganz nach vorn
Immer weiter mit Eisern Union“

Zwischendrin kann man die Stimme der Rockröhre Nina Hagen hören, die der Hymne des Ost-Clubs den einzigartig rauchigen Klang verleiht. Doch nicht nur das Vereinslied ist das was den Charme von Union ausmacht.

Der Club, gegründet 1966, aus dem seit 1906 bestehenden FC Olympia Oberschöneweide, ist Kult. Nicht nur in Berlin, nicht nur in Ostdeutschland. Er steht für Leidenschaft, Tradition, harte Arbeit und die Gewissheit niemals aufzugeben. Ein bisschen so wie im Ruhrgebiet, wird auch in Köpenick malocht. In Köpenick, dort wo die Spielstätte des 1. FC Eisern Union – die Alte Försterei – seit 1920 steht. Das erste reine Fußballstadion in Berlin.

1968 gewann Union den FDGB-Pokal und 2001 kamen sie ins DFB-Pokalfinale. Verloren dort aber, wie jeder Schalke Fan weiß, gegen den FC Schalke 04 mit 2:0. Das Highlight der Vereinsgeschichte erreichten die Eisernen jedoch in der letzten Saison. Aufstieg in das deutsche Oberhaus. Mit zwei umkämpften Spielen sicherte sich Eisern Union den Aufstieg in der Relegation gegen den VfB-Stuttgart, der ihnen nicht nur an Erfahrung überlegen schien, sondern auch an finanziellen Mitteln. Und das ist es, was die Bundesliga ausmacht. Die Underdogs, die Traditionsvereine, die Fans, die eine ganze Partie entscheiden können, indem sie ihre Mannschaft nach vorne peitschen.

Ja, der Bundesliga fehlt es an konstanten europäischen Spitzenclubs. Ja, sie hat keine Großinvestoren aus Katar, Russland oder den Arabischen Emiraten – lediglich den ein oder anderen sehr gut situierten Sponsor aus diesen Ländern, weswegen Transfers über 100 Millionen Euro noch nicht getätigt wurden. Und ja, sie hat in den letzten 7 Jahren nur einen Deutschen Meister hervorgebracht. Den FC Bayern. Das darf für Kritik sorgen und Veränderung fordern, doch unattraktiv ist diese Liga deshalb nicht.

Stimmungsverwöhnt wie wir Schalker sind, wird einem diese Erkenntnis vor allem bewusst, wenn man dabei ist, wie ein Club das erste Mal in der Bundesliga aufläuft. 22.457 Fans, davon 2.500 aus Leipzig, der Rest ist Vereins Mitglied, bei dem einzigen Osteuropäischen Traditionsclub in der Bundesliga. Mütter und Väter sind mit ihren Kindern vor Ort, wie sie schon in ihrer Kindheit von ihren Vätern und Müttern mitgenommen wurden. Das Vereinslied ertönt, die Mannschaft läuft ein und kollektive Gänsehaut breitet sich im Stadion aus und alle sind mit dabei – auch die, die es nicht mehr zu Lebzeiten verfolgen können, wie ihre Eisernen in der 1. Deutschen Fußballiga aufspielen. Auf Plakaten in den Händen derer, deren großer Traum in Erfüllung geht: Union einmal erstklassig.

IMG_9315

Der Kontrast in diesem Spiel könnte nicht größer sein: Union verkörpert Tradition, Fleiß und meist ein kleines Budget – anders als Leipzig. Leipzig ist der Verein in der Bundesliga, der wie kaum ein anderer für den „neuen“ Fußball steht. Schnell, erfolgreich und durch Geld und schlaue Manager erkauft. Innerhalb von 7 Jahren schaffte Red Bull mit RB Leipzig das, wofür Union ein Leben lang brauchte: Den Aufstieg in die Erste Bundesliga. Geplant und geführt wie ein Millionenunternehmen, als Verein an Fans und Verbände verkauft mit lediglich 17 ordentlichen Mitgliedern, ohne Mitbestimmung. Ein Verein ohne lang wachsende Tradition über Generationen oder Emotionen, die die Geschichte geschrieben hat. Ein „Derby“ das wohl ungleicher nicht sein könnte. Mit Protest und Stimmungsboykott zeigen die Union Fans den Gästen aus Leipzig sehr deutlich, dass sie dafür kein Verständnis haben – als Verein, der sich alles erkämpfen musste. Union überstand die DDR, die Wende und Jahre in denen ein Erfolg ausblieb. Doch wie sich der Verein in der Bundesliga entwickelt, das steht noch in den Sternen. Eine Transferoffensive wie in diesem Sommer, gab es zuvor noch nicht. Das war auch dank den steigenden TV-Geldern im Deutschen Oberhaus möglich. Doch all das spielt am 11. August 2019 keine Rolle.

An diesem Sommerabend in der Alten Försterei, sehen die 22 Tausend zwar nicht den ersten Bundesligasieg, doch die Emotionen und Freudentränen, die heute die Stimmung tragen, sind mehr als das. Sie sind Zeichen für das was alle denken und eine Mischung aus Gefühlen aus Vergangenheit & Zukunft, Ost & West. An diesem Abend ist Nostalgie in Köpenick erlaubt: Sie haben es allen gezeigt und vor allem sich selbst.

Und genau das ist es, was unsere Bundesliga einmalig macht!