Die Reise des Jens Keller

Seit gestern ist es offiziell: Neuer Chefcoach bei unseren Freunden aus Nürnberg ist der ehemalige Schalker Jens Keller. Nach Zwischenstationen bei Union Berlin und dem FC Ingolstadt soll es nun mit den Franken endlich wieder den gewünschten Erfolg geben.

2019-11-Jens-Keller

Überraschungscoach, Fanliebling, Pechvogel – auf all diese Beschreibungen trifft man, wenn man sich mit Fans, ehemaligen Weggefährten und der Geschichte des gebürtigen Stuttgarters auseinandersetzt. So glaubte wohl niemand, dass Keller nach einem Exkurs zu den Stuttgarter Profis und einigen Stationen als Jugendtrainer mit dem FC Schalke 04 gleich zweimal hintereinander den Einzug in die Champions League dingfest machen könne. Doch genau das schaffte der heute 48-Jährige.

Am 16. Dezember 2012 übernahm er nach der Beurlaubung von Huub Stevens die erste Mannschaft des Bundesligisten und schaffte bereits in der ersten Saison den Schritt auf Platz 4. Das bewegte die Schalke-Bosse dazu, den zum Saisonende auslaufenden Vertrag im Mai 2013 um zwei Jahre zu verlängern. In der Bundesliga stand am Ende der Saison 2013/14 Platz drei und die direkte Champions League-Qualifikation zu Buche. Doch viel länger sollte die Erfolgsserie des Jens Keller erst einmal nicht dauern. Der S04 trennte sich im Oktober von Keller, nachdem die Knappen nur zwei der zehn Saisonspiele gewinnen konnten. Dieser Schritt stieß vor allem bei den Schalke-Fans auf Unverständnis, die die Leistungen von Keller aus den Vorsaisons nicht vergessen und Keller als echten Macher lieben gelernt hatten. Er ist ein Typ mit Ecken und Kanten, der die Herausforderung liebt. Das kommt auf Schalke an.

Auch wenn Jens Keller mal Kritik an Verein und Fans des S04 los wurde, einen Platz in seinem Herzen wird der Club aus Gelsenkirchen wohl immer haben. So besuchte Keller den FC Schalke zuletzt anlässlich des Revierderbys gegen den Rivalen aus Dortmund und drückte den Königsblauen die Daumen.

Jens Keller Sommer 2014

Keller: Immer eisern

Bei Union hat die Personalie Jens Keller funktioniert. Der Stuttgarter hatte Erfolg, eine klare offensive Spielidee und eine Fangemeinde, die hinter ihm stand. Zur Saison 2016/17 übernahm Keller von André Hofschneider die Zweitligamannschaft des 1. FC Union Berlin und erreichte mit der Mannschaft am Ende Tabellenplatz vier. Er wollte den Wunsch des Berliner Traditionsvereins wahr werden lassen und die Unioner in die erste Liga führen. Doch daraus wurde nichts. Am 4. Dezember 2017 wurde Keller nach drei sieglosen Spielen in Folge beurlaubt. Es war wohl die überraschendste Trainerentlassung der Saison 2017/2018, da er noch eine Woche zuvor in Verhandlungen mit den Union-Bossen um eine Vertragsverlängerung gesteckt hat. Der 1. FC Union stand zu diesem Zeitpunkt wieder auf dem vierten Tabellenplatz mit nur drei Punkten Abstand auf Relegationsplatz drei.

Lange spekulierten Fans und Experten warum und weshalb – Licht ins Dunkel kam bis heute nicht. Einige Gerüchte sagen, dass Keller persönliche Differenzen mit dem Club-Präsidenten Zingler gehabt haben soll. Andere behaupten, dass die Mannschaft ihm seine sehr an Leistung orientierte Aufstellung übel nahm und ihm dies zum Verhängnis wurde. In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder der Name Steven Skrzybski auf, der zum damaligen Zeitpunkt mit einem Winterabgang geliebäugelt haben soll, wenn er nicht regelmäßigere Einsatzzeiten bekäme. Skrzybski spielt seit Sommer 2018 für Kellers Ex-Verein, den FC Schalke 04.

Tweets, wie der von Sebastian Fiebrig, zeugen noch heute davon auf wie viel Unverständnis die Entscheidung der sportlichen Führung des FC Union damals stieß: „Die Entlassung von Keller ist wie eine Trennung, die man nicht hat kommen sehen. Aus heiterem Himmel. Man trennt sich nicht. Man wird getrennt. Man möchte aufwachen und denken, es sei nur ein schlimmer Traum gewesen. #fcunion

Ingolstadt: Ein einziges Missverständnis

Seine letzte Station absolvierte Jens Keller in der abgelaufenen Saison in Ingolstadt, doch dort scheiterte der 48-Jährige sang- und klanglos, ebenso wie vor ihm Roberto Pätzold und Alexander Nouri.

Die Mission Klassenerhalt startete am 2. Dezember 2018. Keller übernahm die Ingolstädter nach 15 Spieltagen mit acht Punkten auf dem letzten Tabellenplatz der zweiten Bundesliga stehend als Nachfolger des Interimstrainers Roberto Pätzold, der die Mannschaft nach der Freistellung von Alexander Nouri übernommen hatte. Er unterschrieb einen Vertrag bis zum Ende der Saison 2018/19.

Doch die Mission Klassenerhalt war erfolglos. Noch bevor der FC Ingolstadt am Ende der Saison in die Drittklassigkeit rutschte, trennte sich der Verein am 2. April von Keller nach fünf Niederlagen in Folge. Ob die Ingolstädter wirklich ein hoffnungsloser Fall waren oder ob Kellers Offensivfußball für eine Mannschaft ohne Selbstbewusstsein die falsche Taktik aus der Krise war, bleibt wohl reine Spekulation. Fakt ist: Keller drückte der Mannschaft seinen Stempel auf, vermochte es aber nicht, die Spieler wieder zur Effektivität zu führen. Das soll nun anders werden. Seine neue Chance: Der 1. FC Nürnberg.

Nürnberg und Keller? Das kann passen!

Am Dienstagabend verkündeten die Franken offiziell, dass die Cheftrainer-Stelle in Form von Jens Keller, besetzt sei. Zuvor galt der Ex-Kölner Markus Anfang als heißester Favorit, doch die Verhandlungen mit Anfang kamen ins Stocken, nachdem der Club am Wochenende eine 1:5-Klatsche bei Arminia Bielefeld kassierte und Anfang seine Forderungen erhöht hatte.

FCN-Sportvorstand Robert Palikuca sagte, dass die Gespräche mit Keller parallel liefen und man sich nach dem Aussteigen von Markus Anfang schnell mit dem Ex-Schalker einig wurde. Jens Keller ist überzeugt, dass der FCN kein zweites Ingolstadt wird: „Ich freue mich auf die interessante Aufgabe beim 1. FC Nürnberg. Der Club ist ein sehr spannender Verein mit großer Tradition und einem immensen Fanpotential. Ich bin sicher, dass wir mit dieser fußballbegeisterten Region im Rücken unsere Ziele erreichen werden“.

Keller darf nun keine Zeit verlieren. Die erste Herausforderung für das neue Trainergespann wird das Franken-Derby gegen Greuther Fürth in zehn Tagen. Eine Bewährungsprobe, die Jens Keller nicht unterschätzen darf. Der 48-Jährige will jetzt erst einmal für defensive Kompaktheit sorgen und dann aufbauen: „Man muss die Mannschaft begeistern. Sie muss an ihre Stärken glauben. Ich möchte ihr ihre positiven Seiten vor Augen führen. Der Verein lebt.“ Auf Unterstützung darf Keller vor allem von Ex-Schalker Johannes Geis und Hanno Behrens hoffen, die als Führungsspieler für die Nürnberger immens wichtig sind. Und auch im Umgang mit den Medien ist der lässige, bisweilen schnoddrige Fußballlehrer erprobt und stets für einen lockeren Spruch gut. Genau die richtige Einstellung, um mit dem zuweilen voreiligen und aufbrausenden Umfeld auf Schalke, bei Union oder in Nürnberg umzugehen.

Keller hat schon zweimal gezeigt, dass er es wie nur Wenige im deutschen Fußball versteht, das emotionale Umfeld und die Mannschaft eines Traditionsvereins mitzureißen. Noch sind die Fanlager sowohl auf Schalke, als auch in Nürnberg, gespalten, was die neue Personalie in Franken angeht, doch Keller und der FCN, das kann passen – auch aufgrund seiner Reise durch die Republik, bei der er zahlreiche Erfahrungen sammeln konnte: Auf Schalke, in Berlin und Ingolstadt.