Schalke: Schlammschlacht auf der Mitgliederversammlung?

Alle Informationen zu dem umstrittenen Satzungsänderungsantrag

Ob Mitgliedernewsletter, Social-Media-Diskussionen oder Kandidatenvorstellung: Überall, wo es um Schalke geht, steht momentan der geplante Antrag der Vereinsgremien zur „Reform“ des Wahlausschusses im Mittelpunkt heftiger und bisweilen weit unter die Gürtellinie zielender Diskussionen. Droht am Sonntag auf der Mitgliederversammlung eine Schlammschlacht?

JHV (14)

Was steht überhaupt drin?

Der gemeinsame Antrag zahlreicher Vorstands-, Aufsichtsrats-, Ehrenrats-, Ehrenpräsidiums- und Sportbeiratsmitglieder möchte die Besetzung des Wahlausschusses ändern: Statt 7 bzw. 8 von der Mitgliederversammlung direkt gewählten Mitgliedern soll dieser künftig aus 10 Personen bestehen –  5 direkt gewählten Mitgliedern und 5 von den Antragstellern benannten bzw. entsandten Mitgliedern.

Wie lautet die Begründung?

In der offiziellen Begründung des Antrags im Vereinsmagazin „Schalker Kreisel“ Nr. 22 wird darauf hingewiesen, dass der Wahlausschuss eine Schlüsselfunktion innerhalb des Vereins habe. Deshalb sei es wichtig, dass neben der Mitgliederversammlung auch die übrigen Vereinsgremien gleichberechtigt bei der Auswahl der Mitglieder des Wahlausschusses beteiligt seien.

Die von den Gremien benannten bzw. entsandten Mitglieder seien „Experten mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen“. So könne beispielsweise der Ehrenrat die Integrität der Kandidaten am besten beurteilen, der Vorstand ihre wirtschaftliche Kompetenz und der Experte des Aufsichtsrats, „inwiefern Kandidaten in die bestehende Struktur passen“ und sich in den bestehenden Aufsichtsrat integrieren können. Die Vertreter der Mitgliederversammlung hingegen seien „qualifiziert, über die Beziehung der Kandidaten zur Fankultur zu befinden“.

Im Mitgliedernewsletter, der eigentlich nicht für einseitigen Wahlkampf vorgesehen ist, behaupten die Antragsteller ohne (!) jede Begründung, man habe beobachten können, dass die  „Struktur des Wahlausschusses seiner Aufgabe nicht gerecht wird“.

…und was sind die Gegenargumente?

Die Schalker Fanszene ist nahezu geschlossen gegen den Antrag. Sie sieht in ihm einen Versuch, die Mitbestimmung der Mitglieder weiter zu beschneiden. Es gehe nicht darum, die Qualifikationen oder die Vereinstreue der Kandidaten zu überprüfen, sondern um Linientreue. Der entscheidende Satz sei „inwiefern Kandidaten in die bestehende Struktur passen“. Man möchte bitteschön unter sich bleiben.

Torsten Wieland vom Königsblog fasst es kurz und bündig zusammen: Der Antrag sei „beschämend“, die Bewerbung im Mitgliedernewsletter „dreist“. Die Gremien zeigten, dass sie dem Urteil der Mitglieder nicht trauen, dabei „hemme die Mitbestimmung der Mitglieder diesen Club nicht, sie schützt ihn“. Er empfiehlt: Einfach ablehnen.

Rechtsanwalt Thomas von web04.de nennt den Antrag nur den „Erdogan-Antrag“, weil dieser sich wie der türkische Präsident demokratisch nenne, aber nur dafür sorge, dass die bestehenden Führungsstrukturen ein für alle Mal zementiert würden. „Dieser Versuch ist nicht weniger als der Versuch, das letzte Gremium des Vereins, auf das der jetzige Aufsichtsrat keinen Einfluss hat, auch noch mitzubestimmen. Der Mitgliederversammlung traut man offenbar nicht zu, linientreu abzustimmen.“ So entstehe ein „selbstbefruchtendes System“, in dem sich Aufsichtsrat und Vorstand selber die Kandidaten aussuchen, die den bisherigen Kurs im Sinne der bisherigen Amtsträger weiterführen.

Sehr viel Aufmerksamkeit bekommt auch das Video der Ultras Gelsenkirchen, in dem diese im Stile des Vereinsvideos erläutern, wie sehr sich ein Mitglied, das für den Antrag stimmt, selber entmachtet. Auch sie empfehlen: Satzungsänderungsantrag zum Wahlausschuss ablehnen!

Bei der Diskussionsrunde der Aufsichtsratskandidaten sprachen sich Prof. Dr. Stefan Gesenhues und Axel Hefer deutlich gegen den Antrag aus, da dieser die Basisdemokratie verletze. Uwe Kemmer findet ihn weder vom Zeitpunkt noch der Formulierung okay, Dr. Armin Langhorst als Mit-Antragsteller rechtfertigt ihn mit „pragmatischer Lösung“ und „relativ breiter Mehrheit“ u. a. in der Traditionsmannschaft.

Sogar der traditionell als sehr vereinsnah geltende Schalker Fanclubverband SFCV konstatiert, „die Meinungen und Stellungnahmen aus den Bezirken zum Antrag sind in überwältigendem Maße kritisch. Eine klare Mehrheit der Rückmeldungen bestand aus Ablehnung bzw. Unverständnis“.

Was spricht noch gegen den Antrag?

Der Wahlausschuss wurde erst in 2016 reformiert und auf ein rollierendes System umgestellt. Diese auch von ihnen getragene Satzungsänderung wollen die Antragsteller wieder einkassieren, bevor überhaupt ein einziges Mal danach gewählt wurde. Eine Satzung als „Verfassung“ eines Vereins sollte aber stabil sein und nicht nach Belieben geändert werden.

Vertrauen in die Mitgliederversammlung als oberstes Vereinsorgan sieht anders aus. Dass die Gremien den Mitgliedern offenbar keine qualifizierten Entscheidungen zutrauen, lässt sich daran ablesen, dass den nach dem neuen Modell von der Mitgliederversammlung gewählten 5 Wahlausschuss-Mitgliedern nur zugetraut wird, über „die Beziehungen der Kandidaten zur Fankultur“ zu befinden. Die wirtschaftlichen Qualifikationen und die richtige Gesinnung hingegen müssten die Gremien überprüfen.

Das Urteil des Landgerichts Essen zur Aufhebung der vom Ehrenrat verfügten Suspendierung von Dr. Andreas Horn aus dem Aufsichtsrat deutet darauf hin, dass die Struktur und Arbeitsweise des Ehrenrates den Schalker sehr viel mehr Kopfzerbrechen bereiten sollte als die des Wahlausschusses. „Willkürlich“ und „grob unbillig“ sei der Ehrenrat vorgegangen.

Ein Verein ist ein demokratisches Gebilde. Kontroverse Debatten mit neuen Ideen bereits im Vorfeld ausmerzen zu wollen, ist hingegen das genaue Gegenteil von demokratisch. Zur Entscheidungsfindung muss ein Aufsichtsrat auch persönliche Befindlichkeiten und Sympathien hintenanstellen und um die beste Lösung für den Verein ringen, diskutieren und notfalls auch streiten können.

Schließlich: Der Wahlausschuss ist das einzige vollständig von den Mitgliedern aus ihrer Mitte gewählte Vereinsorgan. Und die DFL-Lizensierungsordnung schreibt vor, dass die Mitgliederversammlung oder ein von ihr in seiner Mehrheit gewähltes Vereinsorgan den Vorsitzenden bzw. die übrigen Mitglieder des Vorstandes wählt. Aus diesem Grunde muss auch die Zahl der gewählten Aufsichtsratsmitglieder immer höher sein als die der Kooptierten/Entsandten.

Zudem enthält nahezu jeder Vereinssatzung, so auch die des FC Schalke 04, die Regelung, dass die Zugehörigkeit zu einem Vereinsorgan die Zugehörigkeit zu anderen Organen ausschließt, damit Interessenkonflikte und Kungelei vermieden werden. Auch diese Regel soll nun durchbrochen werden.

Wenn die Antragsteller den Antrag trotz der klaren Ablehnung auf der Mitgliederversammlung zur Abstimmung stellen, dürfte das zu heftigen langen und heftigen Kontroversen führen. Viele Vereinsmitglieder hoffen, dass ihnen das durch eine Rücknahme des Antrags erspart bleibt.