Analyse: Der Tedesco-Code

Seit Domenico Tedesco Schalke im Sommer übernahm wird, viel über die Entwicklung bei Schalke gesprochen. Die klare Linie des Cheftrainers zeigt Wirkung, sowohl taktisch als auch in der Tabelle. Schalke-News fasst die taktische Entwicklung unter Tedesco zusammen.

Von Oliver Hommel

Der Saisonbeginn – Vom Kader zur Taktik

Im Interview mit halbfeldflanke.de sagte Tedesco erst kürzlich: „Eine Vision ist schön und gut, die wichtigere Komponente sind aber immer die Spieler.“ Also zwängte er den Spielern zu Saisonbeginn kein System auf, das System richtete sich vielmehr nach dem vorhandenen Spielermaterial. Als Paradebeispiel hierfür kann die Umstellung auf eine 3er-Kette mit Naldo als zentralem Spieler gesehen werden. Dieser bedankt sich artig mit dem besten Notendurchschnitt aller Schalker Spieler.

Domenico-Tedesco

So entschied sich Tedesco in den ersten sieben Spielen für ein 3-4-3, das defensiv als 5-3-2 bzw. 5-4-1 interpretiert wurde. Hierbei variierte die defensive Ausrichtung je nach Gegner und Situation stark: mal sehr hoch, mal tiefes Mittelfeldpressing. Mal mannorientiert, mal im Raum. Der ballnahe Spieler entscheidet, das ganze Team zieht mit. Der große Unterschied zur Vorsaison ist hierbei, dass Gegner nicht mehr gestellt werden, sondern im Pressing durchgelaufen wird. Der Gegner wird also ständig unter Druck gesetzt, sodass er zu schnellen Reaktionen gezwungen wird. Unter Weinzierl in der Vorsaison setzte Schalke noch vorwiegend auf das Zustellen von Passwegen.

Die offensive Ausrichtung war in erster Linie extrem vertikal. So erinnern sich sicher die Meisten noch an das 2:0 gegen Leipzig, als Schalke mit 2 langen Pässen Konoplyanka auf die Reise schickte. Führte dieser erste Angriff nicht zum Erfolg, so setzte sofort das Offensivpressing ein: die Außenverteidiger rückten auf ihre Gegenüber vor, die offensive 3er-Kette zog sich zusammen, um die gegnerischen Innenverteidiger zu attackieren. Unterstützt wurden sie von mindestens einem der 8er (also meist Goretzka oder Bentaleb), der den gegnerischen 6er zustellte. So kam vor allem Goretzka zu vielen Chancen und Torerfolgen.

Revolution in Berlin

Bis hierhin offenbarte Schalke immer noch das alte Problem: den Ballbesitz. Stellte sich der Gegner hinten rein, so verpuffte das Vertikalspiel von Schalke und der Gegner konnte seinerseits mit langen Bällen das folgende Offensivpressing überspielen. Also änderte Tedesco im Spiel bei der Hertha die Grundformation und damit das komplette Schalker Spiel. Max Meyer lief erstmals als alleiniger 6er in einem 3-1-4-2 bzw. 5-3-2 auf und ermöglichte das, was fortan das „Schalke Pentagon“ genannt werden sollte. Dieses 5-Eck, bestehend aus den 2 Stürmern, 2 offensiven Mittelfeldspielern und einem 6er, sollte fortan das Schalker Mittelfeld kontrollieren, was ausgesprochen gut gelang. Wurde ein Gegner angelaufen, so verschob sich das Pentagon Richtung Ball und konnte so immer 5 Gegner gleichzeitig unter Druck setzen. Entschied sich das gegnerische Team zu einem Pass in sein defensives Mittelfeld, das sich in der Mitte des Pentagons befand, so zog sich dieses zusammen und konnte fast immer den Ballverlust erzwingen. Das funktionierte so dermaßen gut, dass Schalke in fünf Spielen insgesamt lediglich ein Gegentor bekam und sich erstmals seit 5 Jahren auf Platz 2 vorschieben konnte.

Wo geht die Reise hin?

Dass das Derby seine eigenen Gesetze hat, konnte man am Wochenende wieder eindrucksvoll bewundern. Rein taktisch bleibt, dass Tedesco sich zwar im System irren kann („Wir waren zu Beginn überrascht über die 3er-Kette der Dortmunder“), Schalke aber inzwischen so flexibel ist, zwischen dem System vom Saisonbeginn und dem Pentagon zu variieren. Das wird auch in Zukunft nötig sein, da die kommenden Gegner, namentlich Köln, Gladbach, Augsburg und Frankfurt, sicher verschiedene Ausrichtungen erfordern.

Auf ein System festlegen will sich der Cheftrainer sowieso nicht. In einem Interview mit halbfeldflanke.de sagte er über seine Vision: „Ich will den Gegner eigentlich permanent auf dem falschen Fuß erwischen.“ Wir dürfen uns also wohl auch weiterhin auf taktische Revolutionen von Tedesco freuen.