Der „Bayern-Dusel“: Jetzt auch auf Schalke

Es war die 59. Spielminute. Als man im weiten Rund der Arena mittlerweile felsenfest davon ausgehen musste, dass die Königsblauen an diesem Abend das gegnerische Tor nicht treffen würden, sorgte eine Gladbacher Co-Produktion für das schmeichelhafte 1:0. Nach dem zwischenzeitigen 1:1 sorgte erneut viel Glück für das 2:1, als ein Fernschuss von Leon Goretzka für Gladbach-Schlussmann Yann Sommer unhaltbar abgefälscht wurde. Bayern-Dusel auf Schalke – auch mal ganz erfrischend.

Schalke-Siege-gegen GladbachDabei überraschte Schalke-Cheftrainer André Breitenreiter nach dem 0:2 in Berlin mit gleich fünf Veränderungen in der Startelf. Auf der rechten Abwehrseite begann Sascha Riether für den gelbgesperrten Junior Caicara. Die Doppel-Sechs bildeten – zumindest auf dem Papier – Pierre-Emile Höjbjerg und Leon Goretzka für Johannes Geis. Außerdem rückten Sead Kolasinac, Leroy Sane und Franco Di Santo für Dennis Aogo, Younes Belhanda und Klaas-Jan Huntelaar in die Anfangsformation.

Hatte André Breitenreiter vor dem Aufeinandertreffen noch das variable Spiel der Gladbacher, so zeigten seine Schützlinge gegen die Mannschaft vom Niederrhein selbst ein ziemlich flexibles Spiel. Nach vorne weitgehend im 4-2-3-1 und mit einem zuweilen sehr offensiven Leon Goretzka agierend, verteidigte S04 immer wieder mit einer Fünfer-Kette, bei der Sascha Riether, Joel Matip und Leon Goretzka zentral und auf den Außenpositionen Leon Goretzka (!) und Sead Kolasinac spielten.

Nachdem sich Schalke zunächst ein erstes Übergewicht erarbeitete, nahm Gladbach das Heft in die Hand. Immer offensichtlicher wurde, dass die zahlreichen Umstellungen – personell und taktisch – die Knappen in der Defensive überforderten. Im zentralen Mittelfeld ergaben sich – auch weil Leon Goretzka in der 5er-Kette hinten gebunden war – zudem zahlreiche Räume für Borussia Mönchengladbach.

In der Folge kehrte Schalke zwischenzeitlich zwar ins gewohnte 4-2-3-1 zurück, doch Gladbach blieb die gefährlichere Mannschaft. Schalke durfte sich beim Gegner bedanken, dass der so verschwenderisch mit seinen Chancen umging. Im Schalker Tor hatte sich Ralf Fährmann schon schön warmgespielt. Das sollte sich in Halbzeit zwei auszahlen.

Auch in den zweiten 45 Minuten dasselbe Spiel: Gladbach immer brandgefährlich, auch weil Schalkes Abwehr einfach zuviel zuließ. Dann die 59. Spielminute, die das Spielgeschehen auf den Kopf stellte und sicherlich Eingang in die Bundesliga-Chroniken finden wird. Leroy Sané tankte sich in den 16er der Gladbacher spitzelte den Ball in die Mitte des Fünfmeter-Raums, wo Nordtveit und Hinteregger mit überaus Slapstick-verdächtigem doppelten Doppelpass die Kugel ins eigene Tor kombinierten. Völlig unverdient natürlich, aber irgendwie auch sehr geil, durch solch ein sehenswertes Eigentor in Führung zu gehen.

Ralf-Fährmann-nach GladbachDie Borussia drängte jetzt wütend auf den Ausgleich. Schalkes Fans bemerkten, dass ihre Mannschaft jetzt den bedingungslosen Support ihres Anhangs benötigten. Euphorisiert vom Gladbacher Jahrhunderttor, waren die Fans jetzt eh in Feierlaune.

Und trotzdem kam die Mannschaft von Trainer André Schubert zum über-überfälligen Ausgleich durch Andreas Christensen in der 79. Spielminute. Doch ein weiterer Glückstreffer, der an nichts anderes als den gleichermaßen traditionellen wie fürchterlichen „Bayern-Dusel“ erinnerte: Denn nur 4 Minuten später wurde ein Goretzka-Fernschuss von Granit Xhaka unhaltbar abgefälscht – das unfassbare 2:1, das Schalke spielerisch heute eigentlich keiner zugetraut hätte.

Auch danach drängte Gladbach weiter, doch Ralf Fährmann sorgte für zahlreiche Weltklasseparaden, rettete den Schalker Sieg und wurde folgerichtig überschwänglich von Schalkes Fans gefeiert.

Bei aller Freude über einen kuriosen Sieg sollten Trainerteam und Mannschaft die schwache Leistung tunlichst intensiv aufarbeiten. 6:22 Schüsse, ein Ballbesitz von 36%, nur 46% gewonnene Zweikämpfe und eine eigene Passerfolgsquote von 76% (gegenüber 85% der Borussia) und das zuhause gegen einen direkten Konkurrenten beweisen einmal mehr dringenden Handlungsbedarf: Sowohl in der Defensive als auch in der Offensive…

[Bilder: Daniel Kraski „Der Auslöser“]