Tönnies' abenteuerliches Gedankenspiel: Mitglieder könnten ja mal 1.000 Euro spenden

Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Fußball-Unternehmen mit solventen Konzernen im Rücken sind auf dem Vormarsch. Ob es sich um Kapitalgesellschaften handelt, die Besitzanteile verkaufen, etwa der FC Bayern München und Borussia Dortmund, oder um „Clubs“, die von einem großen Konzern kontrolliert werden, zum Beispiel der VfL Wolfsburg oder RB Leipzig: für einen eingetragenen Verein wie Schalke 04 werden die wirtschaftlichen Bedingungen in Form erhöhten Konkurrenzdrucks nicht einfacher. Während Schalke-Boss Clemens Tönnies immer wieder mal damit kokettierte, sich eine Schalke Aktiengesellschaft vorstellen zu können, kurz danach aber wieder zurückruderte, gibt es jetzt eine neue Idee vom S04-Aufsichtsratsvorsitzenden. Eine recht abenteuerliche.

Clemens Tönnies. Bild: Tönnies Fleisch
Clemens Tönnies. Bild: Tönnies Fleisch

Gegenüber der „Sport Bild“ bekräftigte Tönnies einmal mehr, dass der FC Schalke 04 ein eingetragener Verein bleibe. Schob allerdings ein „Gedankenspiel“ hinterher, wie Schalke an frisches Geld kommen könnte.
Der Fleisch-Baron aus OWL könnte sich vorstellen, dass jedes Mitglied freiwillig einen einmaligen Betrag von 1.000 Euro spenden könnte. Im Idealfall würde bei 132.000 Mitgliedern so eine Summe von 132 Millionen zusammen kommen. Damit „könnten wir die Finanzverbindlichkeiten weitgehend tilgen und sparen so 25 Millionen an Zins und Tilgung, und das jedes Jahr. Das macht in zehn Jahren insgesamt 250 Millionen mehr“, so Tönnies.
Das Gedankenspiel liest sich in der Tat sehr gut. Tönnies: „Damit spielten wir plötzlich in einer ganz anderen Liga“. Sein Kalkül: wenn der Verein wieder um große Titel mitspielt, dann würden die Fans „noch lieber ins Stadion“ pilgern.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: als eingetragener Verein, der sicherlich beschränkt darin ist, an frisches Geld zu kommen, muss man kreativ sein, muss man vielleicht auch mal etwas wagen.
Aber um ehrlich zu sein: Etwas mehr Realitätssinn täte Tönnies in dieser Angelegenheit gut. Auf der einen Seite stützt sich der Verein gern auf seine Herkunft als Kumpel- und Malocherclub, engagiert sich sozial in einer Region, die nach wie vor mit den Auswirkungen des Strukturwandels zu kämpfen hat, will von denselben Leute, die er gedenkt untersützen zu müssen, jetzt aber (noch mehr) Geld?
Sicherlich: unter den über 130.000 Mitgliedern finden sich sicherlich einige Großverdiener, für die eine einmalige Zahlung von 1.000 Euro vermutlich kein größeres Problem darstellt und die diese Zahlung gern tätigen werden. Nur: was ist mit dem Großteil der Mitglieder? Bleiben wir einfach mal in Gelsenkirchen: die Stadt Gelsenkirchen hat eine Arbeitslosenquote von rund 15%. Zudem wachsen – und das hat der Verein vor nicht allzu langer Zeit selbst auf seiner Webseite geschrieben – in der Region vier von zehn Kindern in oder an der Armutsgrenze auf.
Trotz Versuchen, Schalke-Spiele auch für „sozial schwächere“ Fans zu ermöglichen („1000-Freunde-Ticket“), sind die Kartenpreise seit 2006/2007 zum Teil um über 100% (!) angestiegen. Wer auf Vereinsseite in direktem Kontakt mit Dauerkarteninhabern arbeitet, dürfte die Meinung der Fans zum gestiegenen Preisniveau – und deren Bereitschaft, wiederholt noch tiefer in die Tasche zu greifen – kennen. Vielleicht sollte Clemens Tönnies sich einfach mal die Mühe machen und mit diesen Kolleginnen und Kollegen sprechen.
Die Fans, die sich den Besuch von Schalke-Spielen vom Mund absparen, werden kaum bereit sein, ihren Dispo zu bemühen. Und die Fans, die vielleicht etwas auf der hohen Kante haben, die aber sicherlich auch hart für ihr Geld arbeiten, sorry: „malochen“, werden sich zweimal überlegen, wie sie ihr Geld aus dem Fenster werfen.