Presseschau: Medien haben Schalke mal wieder nicht verstanden

Es war zu erwarten. Auf Schalke brennt der Baum, machen Fans ihrer Verärgerung Luft – und die Medien stürzen sich wieder dankbar auf den Traditionsclub. Während zahlreiche Medien die Situation in Gelsenkirchen hinreichend korrekt einzuschätzen wissen, disqualifizieren sich andere durch akute Fehleinschätzungen.
PresseschauFocus.de etwa echauffiert sich über „unrealistische“ und „undankbare“ Fans – und moniert, dass „die Qualifikation für die Europa League jetzt sogar als Scheitern gilt.“ Vielleicht hätte man Focus Online-Autor Albert Linner stecken müssen, dass nicht die Euro League-, sondern die Champions League-Qualifikation das erklärte Saisonziel war.
Linner setzt noch einen drauf und spricht dem Schalker Anhang gar komplett die sportliche Kompetenz ab: „Die Fans verkennen, dass es keine Garantie für dauerhaften Erfolg gibt. Frag nach beim Erzrivalen aus Dortmund. In Hamburg, Stuttgart und Berlin wäre man über einen fünften Platz ohnehin froh. Unterstützung bekamen und bekommen diese Mannschaften aber auch im Abstiegskampf.“
Auch die Sueddeutsche.de äußert sich – wenn auch gemäßigt – kritisch über die Fans von S04. Autor Philipp Selldorf beschreibt Schalkes Anhang als Fußball-Romantiker, die nicht in der Lage sind zu differenzieren.

„In der Vorstellung der Schalke-Fans wird derzeit zwischen guten und bösen Schalke-Mannschaften unterschieden. Zu den Guten gehören die sogenannten Amas aus der Regionalliga. (…) Die anderen Guten sind die (noch) unschuldigen A-Junioren, die gerade zum vierten Mal in ihrer Staffel westdeutscher Meister wurden. Eine böse Schalke-Mannschaft ist hingegen das Profiteam.“

Auch bei der „Welt.de“ hat man nicht im Ansatz verstanden, was die Fan-Seele auf Schalke aktuell beschäftigt und woran es beim FC Schalke 04 krankt. In einer unterdurchschnittlich unterhaltenden Satire arbeitet sich „Head Of Silly Content“ Jean Gnatzig an einem Vergleich ab. Tenor: „Die Angst vor der 2. Liga macht deutlich weniger wütend als die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb“. Schalke plane deshalb, freiwillig in die Zweite Liga abzusteigen, um die Fans zu beruhigen.
Was alle oben genannten Autoren gemeinsam haben: sie haben sich offenbar kaum mit der Situation auf Schalke auseinandergesetzt und stochern alle lediglich an der Oberfläche. Zudem unterschätzen sie maßlos die Fans auf Schalke, die eine schwächer und schwächer spielende Mannschaft über Wochen bedingungslos supportet haben – und die vermutlich ganz einfach ein feines Gespür für Fehlentwicklungen haben.
Das Spiel gegen den Tabellenletzten Paderborn war schlicht der Tropfen, der das oft genannte Fass zum Überlaufen brachte. Wie muss man es einschätzen, wenn eine Mannschaft trotz gebetsmühlenartiger Beteuerungen, in den nächsten Spielen unbedingt besser spielen zu wollen, selbst gegen Mannschaften der unteren Tabellenregion regelmäßig spielerisch untergeht, eine katastrophale Leistung nach der anderen abliefert?
Nicht zu vergessen: nicht spielerische Klasse sorgte am Samstag für den Sieg gegen den SC Paderborn, und damit die Europa League-Qualifikation, sondern ein mehr als glückliches Eigentor der unglücklichen Ostwestfalen. Vom absoluten Willen, das Spiel gewinnen zu wollen, war bei Schalke einmal mehr nichts zu sehen. Von einer echten Mannschaft übrigens auch nichts.
Deshalb auch im Mittelpunkt der Fan-Kritik: Schalkes Führung, die für die Zusammenstellung und (vermeintlicher) Entwicklung verantwortlich zeichnet.
Und nicht zuletzt: der FC Schalke 04 hat die zweitteuersten Personalkosten der Liga. Was soll da, mit Verlaub, lieber „Focus“, das sportliche Ziel sein, wenn nicht die Qualifikation für die Champions League? Ein Nichtabstiegsplatz? Hätte S04 nicht gegen Paderborn und Stuttgart jeweils wenige Minuten vor Abpfiff glücklich den Siegtreffer geschossen, würde man jetzt noch um die Europa League-Qualifikation zittern.