Polizeieinsatz in der Schalker Nordkurve am 21.08.2013: Verfahren gegen die Polizei eingestellt

Es waren unfassbare Szenen am 21.08.2013, als beim Champions League-Qualifikationsspiel gegen PAOK Saloniki plötzlich eine Hundertschaft der Polizei in Kampfmontur die Schalker Nordkurve stürmte. Unter dem Einsatz von Knüppeln „Einsatzmehrzweckstöcken“ und Pfefferspray versuchten sich die Polizisten zu einem im Bereich der Ultras Gelsenkirchen hängenden Banner der befreundeten mazedonischen Ultras aus Skopje „durchzukämpfen“ und dieses sicherzustellen.
Fassungslos musste das ganze Stadion mit ansehen, wie zahlreiche Schalke-Fans von der Ordnungsmacht bei dem Sturm der Nordkurve verletzt wurden. Erst später sickerte durch, dass sich griechische Fans vom mazedonischen Banner, das die sogenannte „Sonne von Vergina“ zeigte, provoziert gefühlt hätten.

Was am 21.08.2013 passierte

Laut Polizei drohten die mehr als 2.000 griechischen Fans damals „mit Block- und Spielfeldsturm sowie Spielabbruch. In einem solchen Fall wäre Leib und Leben zahlreicher, auch unbeteiligter Zuschauer gefährdet geworden.“ Die Schalke-Fans weigerten sich auf Anfrage der Polizei jedoch, das Banner zu entfernen. Daraufhin entschied sich die Polizei, die Nordkurve zu erstürmen, um das Banner mit Polizeigewalt einzukassieren. Pikant: Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sollen gar Paok-Funktionäre mit einem Spielabbruch gedroht haben…
Zum Mitschreiben: die Gästefans aus Saloniki drohten also mit einem Platz- und Blocksturm. Und die Polizei reagierte darauf nicht etwa mit einer personellen Verstärkung der Einsatzkräfte rund um den Gästeblock, sondern mit der Erstürmung der Nordkurve und mit Gewalt gegen friedliche Fans.

87 verletzte Schalke-Fans

Da Gewalt meist jedoch auch Gegengewalt zur Folge hat, wehrten sich einzelne Schalke-Fans gegen das ruppige Vorgehen. Diese und andere, die einfach nicht rechtzeitig Platz machen konnten, können nun strafrechtlich belangt werden, „da sie sich gegen einen „rechtmäßigen“ Polizeieinsatz zur Wehr gesetzt haben. Die ersten Betroffenen haben bereits entsprechende Strafbefehle mit 40 Tagessätzen erhalten“, schreibt etwa „Schalkermarkt.de„.
Insgesamt 87 (!) durch Pfefferspray und „Einsatzmehrzweckstöcke“ verletzte Schalke-Fans und Sanitäter, die eigentlich nur helfen wollten, waren die Folge des Polizeieinsatzes, der Beobachtern kaum verhältnismäßig schien. Es gab wechselseitige Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Vorwurf der Volksverhetzung

Wie die Polizei einen Tag später mitteilte (die Mitteilung ist mittlerweile nicht mehr online), hatte die Polizei den dringenden Verdacht der Volksverhetzung. Eine Polizeisprecherin erklärte: „Allein das Zeigen der roten Fahne erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung“ (WDR.de).
Gegenüber dem „Spiegel“ erkärte ein hochrangiger Staatsschützer aus Nordrhein-Westfalen allerdings: „Es handelt sich auf keinen Fall um Volksverhetzung, ein Blick in das Strafgesetzbuch zeigt das sofort.“ Wenn auf der Fahne entsprechende Parolen zu lesen gewesen wären, die unter den Paragrafen 130 fielen, wäre das vermutlich etwas anderes gewesen. Doch ganz offensichtlich stand auf dem Banner tatsächlich nur der Name einer mazedonischen Fangruppe: „Komiti Düsseldorf.“

Ermittlungen gegen die Polizei eingestellt

Während sich zahlreiche Schalke-Fans gegen Strafverfahren wehren müssen, wurden die Ermittlungen gegen die Polzeibeamten Mitte Mai eingestellt. Es sei weder dem Polizeiführer noch einem der Beamten ein Fehlverhalten oder unverhältnismäßige Gewaltanwendung nachzuweisen. „Schalkermarkt.de“ berichtet: „Fast zwei Jahre später kommt die zuständige Staatsanwaltschaft nunmehr zu dem Ergebnis, dass gegen die Polizeibeamten kein Tatverdacht vorliege. Die juristischen Verrenkungen in der Einstellungsverfügung, warum die Polizei vollkommen recht- und verhältnismäßig gehandelt habe, treiben nicht nur Juristen die Tränen in die Augen. Von einem polizeilichen Notstand ist dort die Rede und dass es ungleich gefahrenträchtiger gewesen sei, die paar hundert Gästefans, von denen eine Handvoll Anstalten machte, den Zaun zu überklettern, im Zaum zu halten als die vollbesetzte Kurve einzukesseln…“
Anzeigeerstatter, die bei dem Polizeieinsatz verletzt wurden, sollen gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft bereits Beschwerde eingelegt haben. Der Repressionsfonds Nordkurve soll sie dabei unterstützen.
Die Ultras Gelsenkirchen haben sich in einer umfangreichen Stellungnahme zum Thema geäußert: Klick.